Tarifrundenaktion

Eine Dampflokfahrt zur Tarifrunde – EVG-Aktionsteams binden Mitglieder ein

EVG Dampflokfahrt

Mit Volldampf in die zweite Tarifrunde starten – das was das Motto einer Dampflokfahrt, zu der das EVG-Aktionsteam der Region Süd-West am Samstag, den 27. Oktober, nach Kassel eingeladen hatte. Mehr als 100 EVG-Mitglieder – einige hatten ihre Familienmitglieder mitgebracht – waren des morgens um 10:00 Uhr zum Bahnhof des Vereins Hessencourrier gekommen, um gemeinsam deutlich zu machen: „Das ist unsere Tarifrunde“.

Stolz versammelten sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Gruppenbild; einige waren sogar aus Stuttgart, Hamburg und Berlin gekommen. Unablässig klickten die Fotoapparate, um jedes Detail der alten Dampflok, die schon ordentlich vor sich hin schnaufte, abzulichten. Immer wieder griff Anna, die Heizerin, zur Schaufel und beförderte einen Berg Kohle nach dem anderen ins Feuer, damit Druck auf den Kessel kam.

EVG Dampflokfahrt Kassel-NaumburgPunkt 10:30 Uhr setzte sich der nostalgische Zug in Bewegung. Das rund 34 Kilometer entfernt gelegene Naumburg war das Ziel. Gut eineinhalb Stunden wurde für diese Strecke benötigt – auch, weil unterwegs der eine oder andere Halt eingelegt werden musste. „Herrlich entschleunigt“ war die Fahrt, wie viele meinten, die dienstlich oft in schnellen ICEs anzutreffen sind. Durchs Hessische Bergland führte die Fahrt, vorbei an Erhebungen wie dem Schwengeberg, Saukopf oder Wartberg. Auf freier Strecke wurden rund 40 km/h in der Spitze erreicht, an den Steigungsstrecken aber musste die alte Lok ordentlich schnaufen. Wer auf einer der offenen Plattformen stand, über die man von Wagon zu Wagon gehen konnte, spürte förmlich – und roch es auch – welche Arbeit die Dampflok zu leisten hatte.

Gegen Mittag war der Zielbahnhof erreicht. Im alten Lokschuppen legten die Kollegen Philipp und Marc unablässig Würstchen und ordentliche Stücke Fleisch auf den Grill – und doch wollte die Schlange der Hungrigen kein Ende nehmen.

Videobeitrag: EVG Dampflokfahrt Kassel – Naumburg

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Das Forderungsplakat aus der Zukunftswerkstatt und zahlreiche Werbematarialien machten deutlich, worum es bei dieser Veranstaltung eigentlich ging: Andreas Güth, Leiter der EVG-Geschäftsstelle Kassel und zugleich einer der Ansprechpartner im EVG-Aktionsteam Süd-West, nutze die Gelegenheit, noch einmal auf die bevorstehenden Tarifverhandlungen hinzuweisen, die zwei Tage nach der Dampflokfahrt, am Montag, den 29.10.2018, in Berlin fortgesetzt wurden.

EVG Dampflokfahrt Kassel-Naumburg„Wir brauchen Euch, wenn wir unsere Forderungen gemeinsam durchsetzen wollen“, machte er deutlich. Der Arbeitgeber habe schon in der ersten Runde erkennen lassen, dass es Knackpunkte, wie beispielsweise das „Mehr vom EVG-Wahlmodell“, gebe. „Wenn wir unsere Forderungsliste und insbesondere unsere Kernforderungen durchsetzen wollen, dann wird das nur gelingen, wenn wir alle zusammenstehen und sich möglichst viele an unseren Aktionen beteiligen. Geschenkt bekommen wir nichts“, erklärte Andreas Güth.

Insofern sei der heutige Tag ein gelungener Auftakt in die eigentlichen Verhandlungen: „Gemeinsam starten wir mit Volldampf in die aktuelle Tarifrunde und zeigen so, dass wir zusammenstehen und Tarifverhandlungen auch Spaß machen können“, so Andreas Güth. Der Beifall der Anwesenden zeigte, dass diese Einschätzung von den EVG-Mitgliedern vorbehaltlos  geteilt wurde.

Bildergalerie zur Dampflokfahrt (44 Bilder)

EVG Dampflokfahrt Kassel-Naumburg
EVG Dampflokfahrt Kassel-Naumburg
EVG Dampflokfahrt Kassel-Naumburg
EVG Dampflokfahrt Kassel-Naumburg

Historischer Rückblick

Vor 41 Jahren fuhr die letzte Dampflok aufs Abstellgleis

EVG Dampflokfahrt Kassel-Naumburg

Wie der Zufall so spielt: Am 27. Oktober 2018 lud das Aktionsteam der Region Süd-West zur Dampflokfahrt von Kassel nach Naumburg und zurück ein, doch schon am 26. Oktober hatte die Bahn das letzte dieser schnaubenden Dampfrösser aus dem Verkehr gezogen – allerdings 41 Jahre zuvor, im Herbst 1977. Die Tagestour, die unter dem Motto „Mit Volldampf in die nächste Tarifrunde“ stand“, war damit auch so etwas wie eine Jubiläumsreise.

In den Gründerjahren der Deutschen Bundesbahn bildeten die Dampfrösser die Grundlage eines geregelten Fahrbetriebs, der erst ganz langsam wieder in Gang kommen sollte. Auf über 40.000 Maschinen belief sich damals der Dampflokbestand. Die ältesten eingesetzten Exemplare stammten noch aus der preußischen Länderbahnzeit und waren zwischen 1906 und 1923 gebaut worden.

Die wurden nach und nach von Neubauten abgelöst. Insgesamt 105 neue Dampflokomotiven der Baureihe BR 23 stellte die Bundesbahn zwischen Dezember 1950 und Dezember 1959 auf die Schienen. Bei Henschel in Kassel gebaut, flossen in die Fertigung alle wichtigen Erfahrungen aus dem Dampflokbau ein. So hatte das „Zugpferd“, die BR 23, ein neu gestaltetes, vollständig geschlossenes Führerhaus und einen modernen, niedrigen Kranzschornstein. Wert wurde zudem auf die Erhöhung des Wirkungsgrades gelegt.

Obwohl die BR 23 als die modernste Dampflokomotive der Deutschen Bundesbahn galt, war ihr keine große Zukunft beschieden. Schon nach 25 Jahren, im Herbst 1975, wurde mit der „23 058“ das letzte Exemplar dieser Baureihe im Bahnbetriebswerk Crailsheim ausgemustert. Zu diesem Zeitpunkt war die Zahl der Dampfloks bereits drastisch zusammengeschrumpft. Diesel- und E-Loks wiesen zwischenzeitlich einen deutlich höheren Wirkungsgrad auf. Hinzu kamen geringere Unterhaltskosten sowie höhere Zug- und Laufleistungen.

Dieser Wandel hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Beschäftigten. Zahlreiche Ausbesserungswerke mussten geschlossen werden. Das letzte verbliebene Dampflok-AW gab es 1974 noch in Braunschweig. Den rund 550 Eisenbahnern, die dort noch beschäftigt waren, kam schlussendlich die traurige Aufgabe zu, ausgemusterte Dampfloks zu zerlegen.

Die Deutsche Bundesbahn gab sich jetzt ein modernes und umweltfreundliches Image – und verbot sämtliche Dampflokfahrten. Auf dem gesamten Streckennetz durften von nun an keine Dampfloks mehr betrieben werden, auch nicht zu Nostalgiefahrten. Begründet wurde dies insbesondere mit nicht vorhandenen Brandschutzstreifen, aber auch mit fehlenden Möglichkeiten zum Aufnehmen von Wasser und Kohle.

1985 wurde das immer stärker in die Kritik geratene Verbot jedoch sukzessive wieder aufgehoben. Angesichts des 150-jährigen Jubiläums der deutschen Eisenbahn zeigte sich die Deutsche Bundesbahn zunehmend traditionsbewusst und ließ die Schornsteine wieder rauchen. Zum Glück – sonst hätten wir am 27. Oktober nicht mit Volldampf in die zweite Verhandlungsrunde mit der DB AG starten können.

Mehr zum Thema findet sich in einem lesenswerten online-Artikel des Spiegel, der unter der Rubrik „Eines Tages“ veröffentlicht wurde (» Den Artikel auf Spiegel Online lesen).

Beschrieben ist nur die Entwicklung der Bundesbahn. Wer unserer Leserinnen und Leser mag die Dampflokgeschichte der Reichsbahn für die nächste Ausgabe des „EVG-Express“ ergänzen? Zuschriften an: express@evg-online.org